Ruhe nach dem Sturm

HNA vom 31.10.2014

Jakobsweg: Pilger aus Baunatal befinden sich auf der sechsten Etappe

BAUNATAI. Baunataler Pilger der Kirchengemeinde Altenbauna sind wieder auf dem Jakobsweg unterwegs. Pfarrer Günter Törner schickte uns diesen Bericht von der insgesamt sechsten Etappe in Richtung Santiago de Compostella.

Wir sind dann mal weg, könnte man sagen. Doch so' einfach ist es nicht, wenn 28 Menschen sich gemeinsam auf-machen zur sechsten Etappe ihres Pilgerweges nach Santiago de Compostela. Denn mittlerweile müssen sie bis nach Südfrankreich fahren, um den Weg, der 2009 in Würzburg begonnen wurde, für zwei Wochen und rund 350 Kilometer fortzusetzen.

 

17 Stunden mit dem Bus

Nach 17 Stunden Busfahrt über Nacht begeben sich die Pilger direkt auf die erste Etappe. Die Parameter: 12 Uhr mittags, 30 Grad Celsius, stahlblauer Himmel, ein sehr steiler Anstieg aus dem Ort heraus, 20 km bis zum Zielort.

Die Gruppe, deren Mitglieder sich überwiegend schon aus den vorangegangenen Jahren kennen, läuft an diesem Tag noch sechs Stunden. Im Unterschied zum „normalen Pilgern“ wird bei den ,,Baunataler Pilgertouren“ aber nicht einfach nur gelaufen, sondern täglich eine Erzählung aus der Bibel thematisiert, die als Impuls zu eigenen Gedanken anregen soll: Dieses Jahr sind es ausgewählte Geschichten aus dem Markus-Evangelium, wie zum Beispiel die ,,Taufe Jesu“ oder ,,Die Heilung des Gelähmten“.

Am zweiten Tag zeigen sich unvorhergesehene Schwierigkeiten. Die Kilometerangaben im Wanderführer erweisen sich als unzuverlässig und statt der angegebenen 32,5 Kilometer sind nun beinahe 38 Kilometer zu bewältigen. So bricht die Dunkelheit noch vor Erreichen des Tagesziels herein und einige wenige Taschenlampen müssen zur Be-leuchtung des Weges ausreichen.

 

Zu Gast bei Jesus

Zu Gast bei Jesus - das passt. Erschöpft trifft die Gruppe in der Dunkelheit ein und wird von Jesus begrüßt. Er ist ein freundlicher Mann in fortgeschrittenem Alter, grauem Bart und langen zum Pferdeschwanz gebundenen Haaren. Seine Vorfahren stammen aus Spanien. Er ist in Algerien geboren und betreibt nun hier in Südfrankreich eine Pilger-herberge (Gîte) mit seiner Frau, die für uns ein dreigängiges Menu zubereitet hat, das er uns höchstpersönlich ser-viert.

Die allgemeine Erschöpfung führt dazu, dass an diesem Abend ein wichtiger Punkt des täglichen Programms entfal-len muss: der Gottesdienst. In den Gottesdiensten wird normalerweise das Thema aus den Tagesimpulsen abge-schlossen und das Abendmahl gefeiert. Dabei ist es nicht immer leicht einen geeigneten Ort dafür zu finden. Mal ist es eine der vielen kleinen Kirchen, die wir auf dem Weg passieren und die in Frankreich tagsüber offen stehen. Mal ist es aber auch einfach der Speisesaal der Jugendherberge, der hierfür herhalten muss.

Bei Jesus ereilt die Pilger allerdings auch die bis dahin größte Herausforderung. Ein Magen-Darm-Infekt hat sich in Windeseile ausgebreitet und einen Teil der Gruppe erwischt. So müssen etliche Personen in der Herberge bleiben und nach und nach im Begleitfahrzeug in die nächste Unterkunft gebracht werden. Dies ist nicht zuletzt eine logistische Herausforderung, da immer nur zwei Personen gleichzeitig transportiert werden können. Der langjährige Fahrer der Gruppe, der normalerweise für den Gepäcktransport sorgt, bleibt glücklicherweise verschont und muss sogar Pilger, die erst während des Laufens erkranken, von der Strecke holen. Am folgenden Tag ist die schlimmste Phase jedoch schon ausgestanden und die meisten Pilger befinden sich auf dem Weg der Besserung, einige können sogar schon wieder eine Teilstrecke mitlaufen.

 

Stromausfall

Abends zeigt sich der Herbst mit einem kräftigen Sturm, der einen Stromausfall im ganzen Ort auslöst, so dass Ker-zen für ein wenig Beleuchtung in der Unterkunft sorgen müssen. Auch die Temperaturen fallen deutlich. – Doch schon am nächsten Morgen wird die Gruppe wieder von sonnigem und ruhigem Herbstwetter begrüßt, das auch die kommenden Tage anhält. Das sollten guten Bedingungen sein, damit wieder die Ruhe einkehrt, die die Pilger auf ihrem Weg weit ab vom Alltag suchen.

 

Ohne Worte

In dem kleinen Dörfchen Lascabanes bei Cahors fand in der Kirche direkt neben der Pilgerherberge ein Gottesdienst für Pilger statt. Da viele Pilger wenig oder gar kein Französisch können, wurden die Worte im Gottesdienst kaum verstanden. Um so verständlicher war die Aktion des Priesters: Er wusch jedem Pilger einen Fuß mit angenehm warmem Wasser. Dies liebe, volle Zeichen brauchte keine Worte, um verstanden zu werden.

Von Jana Beck und Gerrit Böhm