Unterwegs auf den Spuren der Kopten

Reisebericht: Karl Waldeck

Dienstag 15. Oktober

Anreise

Die Anreise war unproblematisch. Der Flug selbst dauerte weniger als 4 Stunden, ist also kürzer als zu den Kanarischen Inseln. Zügige Kontrolle am Kairoer Flughafen, wobei Visaerwerb und Geldwechsel am selben Schalter stattfindet. Nicht allein die Inflation in Ägypten trägt dazu bei, dass die Reisenden für ihre Euros viele Banknoten erhalten. Der große Kairoer Flughafen ist vergleichsweise leer: Tourismus, wichtige, wenn nicht sogar wichtigste Einnahmequelle Ägyptens, ist aktuell ein Problemfall. Herzlich werden wir vor dem Flughafen u.a. von Magda Ramzy Mikhail, Technical Director MEP Buildings, der Schwester Bischof Damians, empfangen. Erstaunlich ist, dass es gelingt, viele Menschen und viele Koffer in einem eher kleinen Bus unterzubringen - inkl. Fahrer und Sicherheitsbeamten.

Wir fahren. Die Stadt Kairo ist allein durch ihre Größe beeindruckend, ebenso der Verkehr. Schon bei Anflug sind die Ausmaße der 22 Millionen Einwohner-Megacity überwältigend. Die Häuser braun bei traditioneller Architektur, prägend das breite grün-braune Band des Nils. Der Verkehr in der Stadt wirkt für Europäer chaotisch, tatsächlich geht es voran. Viele Autos haben Beulen, doch einen (harmlosen) Unfall werden wir erst bei unserer Rückfahrt zum Flughafen sehen. Auffällig sind für den Besucher viele Gebäude, die dem Militär gehören. Das Militär, so werden wir später erfahren, ist in Ägypten ein zentraler gesellschaftlicher Player, nicht nur mit Blick auf äußere und innere Sicherheit, sondern auch als Auftraggeber für Infrastruktur – etwa Straßenbau.

Auf einer riesigen Autobahn geht es Richtung Norden. Rasch wird es nach schönem Sonnenuntergang dunkel, bereits gegen 18:30h kommen wir in „Anafora“ (120 km nördlich von Kairo) an, dem Bildungszentrum der Koptischen Kirche. Mehrere Tore mit Sicherheitskontrollen werden passiert, ebenso diverse Kirchen. Die Anlage nimmt sich wie ein großer Park aus, aber auch wie ein Ferienresort: Eine großartige Gartenanlage, Sand, Bäume, Wasser – kleine Kanäle - prägen den Eindruck. Wir übernachten in schmucken Einzelhäusern. Es ist gut, ein Moskitonetz im Zimmer (am Fenster und über dem Bett) zu haben.

Abendgebet in der wunderbaren kerzenerleuchteten Kirche. Ein intensiver Eindruck – und eine andere Art zu singen und eine besondere Gottesdienstsprache: Koptische, griechische, arabische Elemente vereinigen sich in ihr. Seele und Leib: Das (Abend-)Essen ist landesüblich vorwiegend vegetarisch, großzügig und ausgesprochen gut. Die Katzen auf dem Gelände und auf der Terrasse sind an Teilhabe interessiert, sofern das Essen ihrem Gusto entspricht; also nicht vegetarisch ist.

 

 

Mittwoch, 16. Oktober

Drei Klöster der Westlichen Wüste

Vor der Abfahrt lädt der Klosterladen in „Anafora“ zum Besuch und Einkauf ein: Kunsthandwerk, Textilien, Lebensmittel, Gewürze aller Art: Als Besonderheit fällt auf: In einem Kühlschrank gibt es Schweinefleisch, Straußenfettbalsam soll bei Gelenkbeschwerden helfen. Wein – in einer muslimisch geprägten Gesellschaft ohnedies ein geduldetes Nischenprodukt - ist hier kein Konsumartikel, sondern dient vorab zu rituellen Zwecken. Im Regal steht er neben Weihrauch.

Die Autobahn Richtung Alexandria ist voll. Bemerkenswert viele Klein-Laster mit Tomaten und Kartoffeln sind unterwegs; auf der Ladefläche befinden sich – bei nicht geringer Geschwindigkeit – bisweilen Menschen, einmal auch eine Kuh. Wir fahren durch die Westliche ägyptische Wüste - El Natrun (davon hat das Mineral Natrium seinen Namen): eine Senke bis zu 25 Metern unter dem Meeresspiegel, was Grundwasser und Fruchtbarkeit mit sich bringt, aber auch Überflutungsgefahr bei Regen. In der Wüste: Wüste bedeutet hier wie an anderen Orten nicht unbedingt Zivilisationsferne, „Palmen“ dienen als geschickt getarnte Antennen; Handys sind auch bei den Mönchen allgegenwärtig. Die Zivilisation dehnt sich aus: von Kairo im Süden und Alexandria im Norden. Blickt man von den Klöstern in die Ferne, sind zumindest in mittlerem Abstand Spuren der Zivilisation zu sehen. Koexistenz der Religionen? - Bewusst in die Nähe des Klosterkomplexes von Baramous hat man eine Moschee gebaut, ohne dass eine dazu gehörige Gemeinde zu entdecken ist.

Das Baromouskloster ist das nördlichste der vier Klöster in der Westlichen auch sketisch genannten Wüste. Der Name Baromous ist abgeleitet von koptisch Pa-Romeos (dt.: „Römer“). Das Kloster ist der Jungfrau Maria gewidmet.

Das Baromouskloster ist vermutlich das älteste unter den vier bestehenden Klöstern. Es wurde ca. 355 gegründet von Makarios dem Großen. Die römischen Heiligen Maximus und Domitius, Kinder des römischen Kaisers Valentinian I., sollen ihre Zelle an der Stelle des heutigen Klosters bewohnt haben. Nach koptischer Tradition sollen die beiden Heiligen in die sketische Wüste gegangen sein, während Makarios vergeblich versucht hatte, sie von einem Aufenthalt hier abzubringen. Dennoch blieben sie und erreichten eine asketische Perfektion, bevor sie in jungen Jahren starben. Ein Jahr nach ihrem Tod habe St. Makarios ihre Zelle mit der Errichtung einer Kapelle geweiht, die er "Zelle der Römer" nannte. Eine andere Überlieferung bezieht den Namen auf die römischen Kaiser Arcadius und Honorius, die Jünger von St. Arsenius. Letzterer war ein römischer Mönch, der sich in Sketis niedergelassen hatte.

Nach Zerstörung des Klosters 407 durch die Berber und Beduinen ließ St. Arsenius es wiederaufbauen. Neben St. Makarios und St. Arsenius bewohnten weitere Heilige des vierten und fünften Jahrhunderts das Baromouskloster, wie St. Isidor und St. Moses der Schwarze, der bei dem Überfall von 407 den Märtyrertod erlitt.

Nach Angriffen der Berber und Beduinen ließ Papst Schenuda I. von Alexandria (859–880) Mauern um die Klöster der nitrischen Wüste errichten. Sie waren zwischen zehn und elf Metern hoch, etwa zwei Meter breit und mit einer dicken Gipsschicht bedeckt.

Das Kloster bewahrt einen großen Teil seiner überlieferten Traditionen. Es verfügt über fünf Kirchen. Die älteste Kirche ist der Jungfrau Maria gewidmet und enthält die Reliquien des Moses des Äthiopiers. Der aus dem sechsten Jahrhundert stammende Bau gilt als älteste sketische Kirche. Die zweite Kirche ist dem Heiligen Theodor Tiro, die dritte St. Georg, die vierte Johannes dem Täufer und die fünfte Erzengel Michael gewidmet. Die von Papst Schenuda I. (859–880) errichteten Mauern sind erhalten. Das Kloster enthält einen Bergfried, einen Turm, zwei Speisesäle und ein Gästehaus.

Allgegenwärtig ist im Baramous-Kloster die Erinnerung an Moses den Äthiopier (* vermutlich 332 in Ägypten; † 28. August, 407? im Baramouskloster), auch Moses der Schwarze, Moses der Starke, Moses der Abessinier oder Moses der Inder genannt, aufgrund seiner Vorgeschichte auch Abba Moses der Räuber, ägyptisch auch Moses Murin, wobei Murin „wie ein Äthiopier“ bedeutet, bezogen auf seine dunkle Hautfarbe. Moses, ein Nubier, wird zu den Wüstenvätern gezählt. Nach seiner Bekehrung wurde er Mönch, Priester und Eremit.

Die Reliquien des hl. Moses befinden sich in der Marienkirche des koptischen Baramous-Klosters. Aus seiner Zeit als Vorsteher einer Mönchsgruppe stammen die 18 Apophthegmata (Denksprüche) des Abba (Vater) Mose.

Moses gehört zu den Schutzpatronen Afrikas und der Afroamerikaner, auch hat er das Patronat einer orthodoxen Bruderschaft in Michigan und eines Priorats der Prämonstratenser in Raymond in Mississippi und ist Schutzheiliger der Gefängnisseelsorger.

Die christliche Ikonographie stellt Moses mit schwarzem Habit und einem Kreuz in der rechten Hand dar. Zu seinen weiteren Attributen gehört ein Sandsack oder ein Korb.

Im Unterschied zu den Klöstern, die wir später besuchen, gibt es im Baramous-Kloster außer unserer Gruppe nur wenige Besucher. Die Erstbegegnung mit einem koptischen Wüstenkloster lehrt auch Folgendes. Es wirkt von außen eher wie eine Festung – kein großes Klostertor, heute eine kleine Pforte. In früheren Zeiten wurden Besucher per Korb per Flaschenzug in das Kloster eingelassen; nicht vertrauenswürdige Personen bekamen auf diesem Weg zumindest Verpflegung (Wasser und Essen) und mussten draußen bleiben. Ein junger, sehr freundlicher Mönch führte uns und erläuterte die Kunstschätze (der Kapellen): Textilarbeit ist ein Schwerpunkt des Klosters: Hier konnte Ingeborg Bechstedt ihr mitgebrachtes Leder abgeben. In der interessanten Webereiwerkstatt, ein wichtiger Arbeitgeber, wurden sakrale und weltliche Dinge hergestellt: Viele der Gruppe nutzen die Gelegenheit zum Einkauf.

Nicht weit entfernt vom Baramous-Kloster befindet sich das sog. „Syrische Kloster“. Prägend ist die Kirche, die der Heiligen Jungfrau geweiht ist. Wir kamen – und fanden ein Kloster in Trauer vor: Nur kurze Zeit vor unserer Ankunft war der Prior verstorben. Der – äußerst gelehrte - Abt empfing uns zu einem anregenden Austausch.

Das Syrische Kloster liegt nur unweit nordwestlich des Bischoy-Klosters. Kirchlich wurde das Kloster der Jungfrau Maria gewidmet und trägt auch ihren Namen; in kirchlichen Quellen aus dem neunzehnten Jahrhundert ist es allgemein als „Kloster St. Maria Deipara“ bekannt. Heute ist es auch bekannt unter der Bezeichnung „das Syrische Kloster“, weil es vor allem von syrischen Mönchen genutzt wurde.

Danach schloss sich der Besuch im nahen Bischoy-Kloster an: Es ist das Heimatkloster von Bischof Anba Damian: eine große Anlage, bei der wir eine ausgezeichnete Führung durch Bruder Benjamin genossen – auf Deutsch: Seine Deutschkenntnisse hatte er anlässlich einer Herz-OP in Deutschland erworben. Intellektualität und Askese vereinigt Benjamin in besonderer Weise.

Das Bischoy-Kloster ist nach dem Heiligen Bischoy (320–417) benannt. Unter den vier bestehenden Klöstern der nitrischen Wüste liegt es am östlichsten.

Der Heilige Bischoy (* 320 n. Chr. in Shansa (Ägypten); † 15. Juli 417 n. Chr., Antinoupolis), in der koptisch-orthodoxen Kirche von Alexandria auch als „Stern der Wüste“ und als „Geliebter unseres Guten Heilands“ bekannt, war ein ägyptischer Wüstenvater.

Das Kloster wurde von Bischoy im 4. Jahrhundert gegründet. Mitte des 9. Jahrhunderts erfüllte Papst Yusab I. (831-849) den Wunsch von St. Bischoy und bettete seinen Körper hier zur letzten Ruhe. Heute enthält das Kloster die Reliquien von St. Bischoy und anderen Heiligen. Auch Papst Schenuda III. wurde dort beigesetzt.

Das Kloster hat fünf Kirchen, wobei die Hauptkirche nach St. Bischoy benannt worden ist. Die anderen Kirchen wurden nach der Jungfrau Maria, St. Iskhiron, St. Georg und Erzengel Michael benannt. Es gibt im Kloster eine Quelle, die als Quelle der Märtyrer bekannt ist. Die koptische Überlieferung besagt, dass die Berber ihre Schwerter darin reinigten, nachdem sie die neunvierzig alten Märtyrer von Skete getötet hatten, und später die Leichen der Märtyrer dort hineinwarfen. Später begruben die Christen die Leichen in der Nähe des Klosters des Heiligen Makarios.

Unter Papst Shenuda III. begann das Bischoy-Kloster zu expandieren, indem neues Land rund um das Kloster gekauft und entwickelt wurde. Viehzucht, Geflügel- und Milchviehhaltung wurden ebenfalls aufgebaut. Alte Gebäude und Kirchen wurden restauriert, und die Zellen für die Mönche, Rückzugsräume, eine Residenz für den koptischen Papst, Anbauten für einen Empfangsbereich, ein Auditorium, Konferenzräume sowie Zäune und Tore wurden ausgebaut.

Abends: Gespräch mit Bischof Thomas über Kooperationsmöglichkeiten

 

 

Donnerstag, 17. Oktober

Makarios-Kloster

Gespräch der Gruppe auf der Dachterrasse mit Bischof Thomas, der – er spricht auf Englisch – sehr gewinnend und eloquent ist. Eindrücklich ist das Bild des „Gehens in der Dunkelheit“ – an der Hand. Er war und ist nach wie vor Impulsgeber von und für „Anafora“: ein Gesamtkomplex, zu dem Bildungseinrichtungen und Unterkunft, Landwirtschaft, aber auch ein Freilufttheater gehören. Mit einfachsten Mitteln hat Bischof Thomas das Projekt Anafora bei Null angefangen – ein Projekt, das noch Jahrzehnte nach seinem Beginn im Aufbau ist; noch nicht alles, was geplant wurde, konnte realisiert werden.

Die Menschen von „Anafora“ sind verschieden: Menschen aus Oberägypten neben Gästen aus anderen Ländern. Wir sprechen mit zwei deutschen Praktikanten, die nach dem Abitur über das Projekt „Der andere Blick“ des Zentrums für Mission und Ökumene der Nordkirche für ein Jahr nach Anafora gekommen sind.

Eine Reise in die Ferne ist stets auch eine Begegnung mit einer anderen Ess- und Tischkultur. Die ägyptische Küche ist vor allem vegetarisch, ja sogar vegan ausgerichtet. Das bringt auch Erst-Begegnungen mit Obst und Gemüse mit sich: einer Guavenart, die hier birnenartig, ist oder Kolkas, einem rübenähnlichen Gemüse, beides ausgesprochen wohlschmeckend. Andere Esskultur: Einige der (ober)ägyptischen Gäste benutzen keinen Tisch oder Stuhl. Sie sitzen (nicht nur beim Essen) auf dem Boden.

Die Gruppe verzichtet auf die Fahrt in das St. Mina-Kloster in der Nähe von Alexandria mit Besichtigung der historischen Pilgerstadt St. Mina. Stattdessen besuchen wir das

Makarios-Klosters: Das Kloster präsentiert sich als riesige Anlage, die deutlich erkennbar in den 70er Jahren (etwa mit Teppichboden in den Kapellen) renoviert wurde. Wir bekommen eine ebenso kompetente wie fordernde Führung. Zugleich ist das Kloster ein vorbildlicher Agrarbetrieb: Palmen, Zuckerrüben, Oliven, aber auch Milchwirtschaft: Uns begegnet ein Milchlaster; die Gruppe macht zum Schluss des Klosterbesuchs einen Stopp für einen Jogurt-Imbiss.

An diesem Ort entsteht auch eine neue große Kirche - äußerlich in koptischer Architektur, innen atmen die sehr großen farbigen Fenster ein wenig den Atem der Neo-Gotik und ein wenig den Einfluss von Chagall. Ein blonder Jesus und eine blonde Maria, gewiss nicht der historischen Wirklichkeit entsprechend, treten uns hier entgegen. (Die Haarfarbe Blond wird – nicht zuletzt im hiesigen Kulturkreis - als besonders schön empfunden, wird auf Anfrage erläutert.) Auf dem Weg vom Bus zur neuen Kirche ein farbiges Kruzifix aus Beton. Kirche und Ausstattung lassen einen interkulturellen Einfluss spüren.

Das Kloster des Heiligen Makarios wurde um 360 nach Christus vom Heiligen Makarios von Ägypten, dem geistigen Vater von über viertausend Mönchen verschiedener Nationalitäten, gegründet. Seit der Gründung bis heute ist das Kloster ununterbrochen von Mönchen bewohnt.

Im Jahr 1969 begann im Kloster eine Ära des Wiederaufbruchs, sowohl geistig als auch architektonisch, mit der Ankunft von zwölf Mönchen unter der geistlichen Leitung von Pater Matta al-Maskin. Papst Kirellos VI. (1959-1971) befahl dieser Gruppe von Mönchen, das Wadi El Rayyan zu verlassen und das Kloster des Heiligen Makarios des Großen wiederherzustellen. Zu dieser Zeit lebten nur sechs alte Mönche im Kloster, und seine historischen Gebäude waren am Rande des Zusammenbruchs. Die neuen Mönche wurden durch den Abt des Klosters, Bischof Michael, Metropolit von Assiut, aufgenommen.

Unter Papst Schenuda III., der selbst um die Wiederherstellung des Klosters des Heiligen Bishoy und des Baramous-Klosters bemüht war, zählt nun die monastische Gemeinschaft im Kloster des heiligen Makarios nach 14 Jahren des stetigen Wiederaufbaus und der geistigen Erneuerung etwa hundert Mönche. Das Kloster unterhält geistige, wissenschaftliche und brüderliche Beziehungen mit mehreren Klöstern im Ausland, darunter das Kloster Chevtogne in Belgien, die Abtei Solesmes in Frankreich, Deir El Harf im Libanon, die deutsche Abtei Münsterschwarzach und ein Kloster in England. Das Kloster des Heiligen Makarios des Großen enthält die Reliquien zahlreicher Heiligen, wie die 49 Märtyrer von Sketis.

Der Besuch unserer Gruppe fand in einer Phase des Neustarts statt - nach einer schwierigen Zeit aufgrund des gewaltsamen Todes des Abtes des Klosters, des koptischen Bischof Anba Epiphanius im Jahr 2018.

 

 

Freitag, 18. Oktober

Gizeh – Kairo

Gebet und Frühstück. Herzlicher Abschied von „Anafora“. Fahrt Richtung Pyramiden und Sphinx. Auf dem Weg dorthin entlang der Autobahn neue Wohnstädte (fertig und im Entstehen): Kleine Stadt-Viertel hinter einer Schranke (Sicherheitskontrolle), die nur per Auto zu erreichen sind.

In Gizeh machen wir Stopp am Luxushotel „Marriott“ (5 Sterne am Fuß der Pyramiden), das nur nach einem Sicherheitscheck betreten werden kann: Das Hotel hat architektonisch europäische Prägung; ägyptisch hingegen ist hier der Service: Auf dem Weg zur und von der Toilette helfen gleich zwei Bedienstete: Einer weist den Weg, der andere reicht ein Papierhandtuch. Die Pyramiden: schlicht überwältigend: Nach einem Sicherheitscheck unmittelbar vor den Pyramiden beginnt die Besichtigung: Es sind vergleichsweise wenige Touristen da (Ägypter, Auslandsägypter, Schulklassen, Chinesen) und eher lästige Händler, die alles Mögliche verkaufen. Pferde und Kamele, die nicht nach europäischen Tierschutzmaßstäben gehalten werden. Steiler Abstieg in eine Pyramide, die Ort von Einbalsamierungen war: schweißtreibend und lohnend!

Weiterfahrt nach Kairo in das edle Stadtviertel Maadi (direkt am Nil) mit Behörden, Business und Botschaften: ein Bild, das sich möglicherweise nach dem Umzug in die neue Hauptstadt ändern wird. Besuch der Kirche der Heiligen Familie, Kirche und Kloster der Heiligen Maria. Die Begegnung mit der Erinnerung an den Fluchtort der Heiligen Familie ist ebenso beeindruckend wie das Eintauchen in das quirlige Gemeindeleben am Fluss: Gemeindefest, Tauffeiern, Familienfeststimmung, Fotos und Gespräche mit den Tauffamilien, fußballspielende Kinder. Weiterfahrt in die Altstadt: Hängende Kirche in Altkairo, wo wir eine sehr kompetente Führung bekommen, bewegend die Gastfreundschaft im Nonnenkloster St. Georg; sehr herzliche überraschende opulente Bewirtung, gute Gespräche mit der Äbtissin.

Eine Polizeieskorte führt uns, es ist schon dunkel, zum nächsten Ziel: zur Kirche Zeitoun; Ort einer Marienerscheinung 2. April 1968 Wallfahrtsort mitten in einem Stadtviertel. Ein Ort mit vergleichsweise junger Tradition und dichter spiritueller Atmosphäre.

Weiterfahrt zum Gästehaus der koptischen Kirche (St. Markus-Haus) in Nasr City

Abendessen und Übernachtung. Koptische Pfadfinder feiern. Ein wenig Nachtleben gibt es in Restaurants der Nachbarschaft: Die beiden evangelischen Geistlichen machen einen kleinen Rundgang auf schlechten Bürgersteigen: einzelne streunende Hunde, Stopp im Supermarkt - alkoholfreies Bier.  

 

 

Samstag, 19. Oktober

Kairo – Rotes Meer- Pauluskloster

4.45 Uhr – Die Nachtruhe ist zu Ende. Der Muezzin ruft per Lautsprecher (laut, scheppernd), Hunde tragen ihre Streitigkeiten lautstark aus, das erste Flugzeug im Anflug auf den Internationalen Flughafen. Die Glocke der koptischen Kirche ruft um 7 Uhr, nach Frühstück wird die Gruppe musikalisch durch die Kindergartengruppe verabschiedet.

Fahrt nun im neuen, geräumigen Bus Richtung Rotes Meer entlang von Militäranlagen, neuen Wohnprojekten. Die achtspurige Autobahn wurde vom Militär geplant und in Auftrag gegeben. Auf dem Weg ist schemenhaft die neue Hauptstadt zu sehen (ein Name steht noch aus) – von 50 Kilometern Mauern umgeben auf einer Gesamtfläche von 7000 Quadratkilometern Sie soll Regierungssitz sein, Botschaften beherbergen, Wohnanlagen für die Bediensteten bereithalten, auch die Silhouette von Moscheen und einer Kirche, die kürzlich eingeweiht wurde, ist zu sehen. Modelle zeigen zudem Wolkenkratzer etc.

Der erste Eindruck vom Roten Meer nahe Ain Suhna ist eher prosaisch: Stahlindustrie, Ölindustrie. An der Küstenstraße viele Ferienresorts für (Auslands-)Ägypter, einige bereits fertiggestellt, andere im Bau oder in Planung. Aus der großen Autobahn wird eine mal schmalere, mal breitere Straße entlang der Küste.

Ankunft am Gästehaus Pauluskloster: hotelartig, es sind nur Ägypter zu Gast, genauer gesagt: eine Koptische Community. Die Lage ist wunderbar, der Strand nur ein paar Schritte vom Komplex entfernt. Wer mag, kann dafür sogar einen Shuttleservice in Anspruch nehmen.

Nach dem Mittagessen Fahrt zum Pauluskloster, das sich in spektakulärer Lage, 12 Kilometer vom Gästehaus entfernt, befindet. Im Gebirge gelegen, neben dem Stammkloster viele neue Gebäude, viele einheimische Besucher. Eine gewisse Strenge, Sauberkeit zeichnet den Komplex aus, die Geschichte ist lebendig, sehr eindrücklich. Ein schön gestalteter Garten innerhalb der Klostermauern, die Damen werden floral beschenkt; eine idyllische Brunnenanlage, die täglich 4 Kubikmeter Wasser spendet. (Der Rest muss mit Tankwagen herbeigeschafft werden.) Die Silberschmiede vor dem Klostertor hält, äußerst preiswert, Schmuck aus eigener Produktion bereit, in anderen Geschäften sind zugleich die üblichen Devotionalien erhältlich.

Paulus von Theben (* angeblich 228; † angeblich 341) ist der Legende nach erster ägyptischer Einsiedler und Wüstenvater, daher auch Heiliger Paulus der Einsiedler (Paulus Eremitae) genannt. Er ist Schutzheiliger der Korb- und Mattenflechter.

Die Lebensgeschichte des Heiligen Paulus von Theben (koptisch Amba Bola) wird in der um 376 von Hieronymus (um 347–420) verfassten Vita Pauli primi eremitae überliefert. 

In der bildenden Kunst wird oft das Treffen der beiden Ur-Einsiedler dargestellt, etwa auf einer Tafel des berühmten „Isenheimer Altars“ Matthias Grünewalds in Colmar. Die Attribute von Paulus sind Krücke, Palme, Rabe und zwei Löwen.

 

 

Sonntag, 20. Oktober

Gottesdienst – Strand - Pauluskloster

Gottesdienst (Beginn 6 Uhr): viel Weihrauch, weiße liturgische Gewänder, die Vorsänger spielen eine große Rolle. Lange eucharistische Gebete, die Kommunion wird nach Geschlechtern getrennt ausgeteilt. Bischof Damian feiert den Gottesdienst auf Koptisch, Englisch und Deutsch.

Auch außerhalb des Gottesdienstes ist Religion im Gästehaus ständig präsent: In der Lobby kann man auf einem Bildschirm Gottesdienste oder Gebete verfolgen.

Nach Frühstück (beim Pool) – Abschied von den beiden Reisebegleitern, die in Sachen Ärzte-Auswahl unterwegs waren - Kaffee mit Koriander. Gang zum Strand: Strand flach und steinig, Korallenreste und Fische, die Fußpflege praktizieren.

Erneuter Ausflug zum Pauluskloster: Sehr schöne Mosaiken (Paulus Eremita + Maria Theotokos) an einem Kirchenneubau des Anfas („Der Törichte“).

Zurück im Kloster eine angenehme Abendrunde als Tafel im Garten.

Geschlechterverhältnisse im Hotel: Service (Küche und Zimmer) wird allein von Männern wahrgenommen; Frauen sind im Hotelmanagement und an der Rezeption tätig.

 

 

Montag, 21. Oktober

Antonius-Kloster

Fahrt zum St. Antonius-Kloster – eine umfangreiche Anlage in offener Wüstenlandschaft, eindrucksvoll vor dem Gebirge gelegen: Gegenüber dem Klostereingang eine große Shopping-Zeile, was - an anderen Tagen – auf zahlreiche Besucher schließen lässt. Herrliche alte Kirchen, ein erschrecktes Sandschlängelchen zeigt sich . Gute Führung durch P. Ruez (Ruwais Anthony). Angenehme Teestunde und „Desert monastery Shopping“ (u.a. Ikonenkauf).

Kloster des Heiligen Antonius

Das Kloster des heiligen Antonius liegt in einer Oase in der Arabischen Wüste am Fuß des 1464 m hohen Galala-Felsplateaus im Wadi Araba. Es ist eines der ältesten Klöster der Welt. Es wurde im Jahr 361 n. Chr. von den Anhängern des heiligen Antonius gegründet, der nach der Legende dort im Jahr 356 starb und der als Vater des christlichen Mönchtums gilt. Das Kloster zählt zu den bekanntesten Klöstern Ägyptens. Der sakrale Kernbau der Antoniuskirche geht auf das 6. Jahrhundert zurück, allerdings stammen die meisten Gebäudeteile sowie die Fresken aus dem 10. Jahrhundert.

Antonius der Große

Das Leben des Antonius ist in der „Vita Antonii“ (um 360) des Athanasius (um 300–373), des Bischofs von Alexandria, überliefert. Sein Tod wird in der von Hieronymus fortgesetzten Chronik des Eusebius von Caesarea für das Jahr 356 verzeichnet. Da er laut der Vita Antonii rund 105 Jahre alt wurde, wird sein Geburtsjahr meist in das Jahr 251 gesetzt. Antonius wurde im Dorf Kome nahe dem mittelägyptischen Herakleopolis als Sohn wohlhabender christlicher Bauern geboren. Als er etwa zwanzig Jahre alt war, starben seine Eltern. In der Kirche hörte er das Bibelwort: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!“ (Mt 19,21 EU)

Nachdem er seinen Besitz verschenkt und seine jüngere Schwester in die Obhut einer Gemeinschaft geweihter Jungfrauen gegeben hatte, zog er sich in die Einsamkeit zurück, zuerst in eine Hütte in der Nähe seines Dorfes, später in eine alte Grabkammer. Ein Freund versorgte ihn mit Nahrung und fand ihn dort eines Tages bewusstlos. Nach seiner Genesung zog er 286 weiter in ein verlassenes Kastell am östlichen Nilufer am Rand der Wüste, wo er 20 Jahre lang lebte. Als seine Anhänger die Tür aufbrachen, fanden sie Antonius unversehrt und bei guter körperlicher und geistiger Gesundheit vor. Um dem Andrang der Besucher zu entgehen, zog er sich in die arabische Wüste zurück, wo er wohl von 312 an seine letzten Lebensjahrzehnte am Berg Kolzim oberhalb des heutigen Ortes Zafarana in Sichtweite des Golfs von Sues verbrachte, und starb dort im Jahr 356 nach einem langen asketischen Leben. Seine Grabstätte blieb unbekannt. Im Jahr 561 wurde das Grab aufgefunden, und die Reliquien wurden nach Alexandria und später nach Konstantinopel gebracht.

Während seines langen Wüstenaufenthalts wurde Antonius immer wieder von quälenden Visionen heimgesucht. Der Teufel soll ihm in verschiedener Gestalt erschienen sein, um ihn von seinem asketischen Leben abzubringen. Ob Antonius, wie Athanasios berichtet, tatsächlich seine Einsiedelei verließ und Reisen nach Alexandria unternahm, um den Märtyrern beizustehen oder bei den arianischen Streitigkeiten einzugreifen, ist historisch nicht nachgewiesen. Antonius wurde wegen seines energischen Widerstandes gegen die ihm auferlegten Versuchungen als Mann Gottes (theios aner) verehrt. Zahlreiche Verehrer, die ihn in der Wüste in seiner Einsiedelei aufsuchten, beeindruckte er durch Wunderheilungen und Dämonenaustreibungen.

Dem laut Athanasius angeblich ungebildeten Antonius werden verschiedene schriftliche Überlieferungen zugeordnet. Insgesamt werden Antonius zwanzig überlieferte Briefe zugeschrieben. Die von Hieronymus (347–420) im 88. Kapitel seiner Sammlung von 135 Kurzbiografien „De viris illustribus“ bezeugten sieben koptischen Briefe des Antonius in griechischer Übersetzung an Mitbrüder und Klöster zeigen einen philosophisch und theologisch gebildeten, von Origenes’ biblischer Theologie beeinflussten Kenner platonischer und gnostischer Tradition. Sie gelten als echt, hatten Wirkung auf Evagrius Ponticus, Johannes Cassianus, Makarios den Ägypter und Dorotheus von Gaza und sind vollständig in Georgisch überliefert. Auch der Brief „Über die aufrichtige Reue“ an Abt Theodor und seine Mönche scheint echt zu sein. Nach Athanasius soll Antonius mit Kaiser Konstantin und dessen Söhnen im Schriftwechsel gestanden haben, wofür es aber ansonsten keine Belege gibt. Auch die unter seinem Namen überlieferte Regel des Antonius gibt vermutlich eher die Ansicht eines Teils seiner Schüler und Verehrer wieder. Ein zentrales Thema der Antoniusregel ist die Abkehr des Mönchs von leiblichen und weltlichen Begierden: „Töte dich täglich selbst ab“.

Bezeichnend für den Mönch Antonius ist seine Geistesgabe der Unterscheidung im Dienste von Tugend und Keuschheit. „Wer in der Wüste sitzt und der Herzensruhe pflegt, ist drei Kämpfen entrissen: Dem Hören, dem Sehen, dem Reden. Er hat nur noch einen Kampf zu führen: den gegen die Unreinheit!“

Antonius gilt als Begründer des christlichen Mönchtums. Er gründete (vielleicht um 305, während der diokletianischen Christenverfolgungen) die ersten Gemeinschaften christlicher Anachoreten, mehr oder weniger lose Zusammenschlüsse von getrennt lebenden Einsiedlern. Dagegen entstanden durch die Initiative des Pachomios (ca. 292–346), eines jüngeren ägyptischen Eremiten, um 320–325 die ersten christlichen Klöster, in denen die Mönche gemeinsam als Koinobiten lebten und arbeiteten.

Ein französischer Ritter soll um 1070 Reliquien des Heiligen aus Byzanz nach Frankreich in das Kloster Saint Antoine (bei Grenoble) gebracht haben. Partikel der Reliquien finden sich unter anderen auch in Echternach, Köln (Arm- und Bartreliquie) und Florenz. Die Mönche des Antoniusklosters in Ägypten sind dagegen davon überzeugt, dass sich die sterblichen Überreste des Heiligen immer noch dort befinden, wo er ursprünglich bestattet wurde.

Seine ikonographischen Attribute sind das Tau- oder Antoniuskreuz auf seinem Habit, ein Glöckchen, ein Schwein und der T-förmige Stab.

Die Versuchungen des heiligen Antonius und ihre Rezeption in Kunst und Literatur

Die Versuchungen des heiligen Antonius werden in der Vita Antonii und in anderen Quellen geschildert. So erscheint ihm in seinen Visionen der Teufel in menschlicher Gestalt, als schwarzer Knabe oder verführerische Frau, um ihn zur Sünde der Unzucht zu verführen, aber auch in Gestalt von dämonischen Bestien, um ihn körperlich zu quälen. Das Thema der Versuchungen und Peinigungen des heiligen Antonius ist ein häufiges Bildmotiv in der abendländischen Kunst. Nach ersten Freskodarstellungen im 10. Jahrhundert kam es in der Buchmalerei und später im Buchdruck des Spätmittelalters zu einer ersten Häufung der Darstellung des Themas. Kurz nach 1500 waren vor allem Hieronymus Bosch (um 1450–1516) und Matthias Grünewald (um 1475–1528) prägend. In der neueren Kunst sind die Darstellungen von Max Ernst (1891–1976) und Salvador Dalí (1904–1989) zu erwähnen.

Auch in der Literatur wurden die Versuchungen des heiligen Antonius bearbeitet, so zum Beispiel von E. T. A. Hoffmann (1776–1822, Die Elixiere des Teufels, 1815/16). Das bekannteste literarische Werk ist der szenische Roman „Die Versuchung des heiligen Antonius“ (La tentation de Saint Antoine) des französischen Schriftstellers Gustave Flaubert (1821–1880), der über lange Zeit seines literarischen Schaffens das Thema bearbeitet hat, bis im Jahr 1874 die endgültige Version (version définitive) des Romans erschien und in viele Sprachen übersetzt wurde.

Kurze Weiterfahrt zur (neuen) Kirche „Kreuz und Auferstehung“. Die Kirche ist in den Felsen gearbeitet, dabei ist die Innenausstattung durchaus westlich orientiert. Schöne Begegnung (nach Hindernissen) mit einer Gruppe, einem (weiblichen) Bibelkreis mit Priester aus Kairo-Heliopolis. Einige der Gruppe legen eine erste Etappe auf dem Weg zur Antonius-Höhle zurück bis zu einer Anhöhe, von der man eine ausgezeichnete Aussicht auf die Klosterumgebung hat.

Rückfahrt – Mittagessen. Am Nachmittag das vielbeachtete, bestens choreographierte und fotografierte Wasserballett, Baden bei Flut angenehm. Bewachung des Strandes durch vier Boote auf See unübersehbar. Schöne Abendrunde im Forum nach landesüblichem Büffet. Shopping im Klosterladen.

 

 

Dienstag, 22. Oktober

Abreise

9.30 Uhr Abfahrt nach Kairo zum Flughafen.

40 km vor Kairo noch einmal ein Blick auf die kommende neue Hauptstadt.

Smog um Kairo bei vergleichsweise wenig Verkehr sowie der 1.(!) (Auffahr-)Unfall. Entlang der Stadtautobahn Shopping Malls mit bekannten Namen wie IKEA etc. Und siehe da - es regnet!

Am Flughafen: Zweifacher Security-Check, ägyptischer Wein im Duty free, leicht verspäteter Rückflug, spät abends zu Hause.