GEMEINDEFAHRT NACH HÖXTER-BRENKHAUSEN

Zu Gast bei Bischof Anba Damian am 14. Oktober 2021

Direkt neben mir steht ein Knirps von vielleicht 8 Jahren und schaut zu mir mit seinen dunklen Augen auf, lächelt mich schüchtern an. Bischof Damian bekommt es mit und begrüßt den kleinen mit Matthäus, stellt ihn uns als Messdiener vor. Der kleine nickt eifrig.

Diese Szene prägt sich mir ein. Noch heute sehe ich den Knaben, wie er sich freut, mit so viel Stolz seines Bischofs wahrgenommen zu werden. Und neben ihm stehen seine Mutter und Vater, strahlen mindestens ebenso stolz.

Ich bin allerdings erstaunt, dass so ein kleiner Kerl schon Messdiener sein kann. Aber hier gehört es zum Programm des Bischofs, dass von klein auf Kinder Kirche erleben, um auf diese Weise Kirche zu erfahren. Das Mittun dürfen und können wird sie in ihrer Kirche eintauchen lassen.

Dass diese Szene zufällig im Nebenraum zur Kirche spielt, passt zu den beiden Taufsteinen dort:

Sie sind höher und tiefer als in unseren Kirchen gewohnt. Das eine mit ungefähr 50 cm tiefen Becken ist für Säuglinge, das andere viel tiefere für Erwachsene bestimmt.

Babys wie Erwachsene werden ganz und gar unter Wasser getaucht, Symbol des Durchgangs durch den Tod in das ewige Leben. Unter den Erwachsenen werden heute übrigens oft Muslime aus Syrien aber auch anderen Regionen im nahen Osten getauft.

Noch auf der Fahrt nach Höxter erfährt Günter Törner, dass Bischof Damian selbst unterwegs ist. Ein Pfarrer musste von ihm in dessen Gemeinde verabschiedet werden. Aber wir bräuchten uns keine Sorgen machen, ein Diakon würde uns begrüßen und zunächst durch das Kloster führen.

Pünktlich hält unser Busfahrer vor dem Eingangstor, den Weg direkt vor das Portal aus barocker Zeit geht unsere kleine Reisegruppe von 17 Personen zu Fuß. Die ganze Anlage bildet ein Geviert. Die römisch katholische Kirche mit einem aus der Gotik stammenden Seitengebäude nimmt zwei Seiten ein, die anderen beiden aus barocker Zeit mussten mühsam in Jahrzehnte langer Arbeit wieder hergestellt werden. Diesen Aufbau verlangte das Denkmalsamt gegenüber einem symbolischen Kaufpreis von 1 DM. Bischof Damian griff am 22. Dezember 1993 zu. Unter großen Strapazen und Mühen ist inzwischen ein wohnliches Schmuckstück entstanden. Viele Wände sind mit Fresken im koptischen Stil geschmückt. Ein Motiv davon gibt es, dank des Bischofs, sogar in unserer Gethsemanekirche.

Freundlich werden wir von Diakon Gunter Schmidt-Riedig begrüßt. Er gehört zwei Kirchen an, der evangelischen und der koptischen. Erst mit 50 Jahren hat er als Holzbildhauer angefangen. Mit seiner linken Hand schnitzt er, mit der rechten führt er den Hammer: ca. 70 Skulpturen, 50 davon hat er dem Kloster übereignet. Einer von uns fragt, wie er denn seine Arbeiten entworfen habe. Er brauche keinen gezeichneten Entwurf, schnitze aus seinen inneren Bildern. Entgegen käme ihm dabei sein erlernter Beruf als Modellbauer. Angeregt hätten ihn Schriften des evangelischen Mystikers und Schusters Jakob Böhme.

In der Zeit bis zum Eintreffen von Bischof Damian führt uns Gunter an allen 50 teilweise übermannshohen Skulpturen vorbei, einige erklärt er, ich frage mich, ob er sich auch von Ernst Barlach hat anregen lassen.

Irgendwann erreichen wir den Speisesaal, geschmückt von einem Fresko zum letzten Abendmahl Christi. 11 Apostel und Christus schauen auf uns, Judas entdecke ich nicht. Kaffee und Kuchen regen an, es wird laut wie in einer Schulklasse. Neben uns nimmt ein älteres Paar in Radfahrkleidung Platz. Sie sind aus den Niederlanden gekommen, besuchen zahlreiche Klöster in Westfalen. Das koptische Kloster bietet für Gäste zahlreiche Räume zum Übernachten.

Jetzt schließen sich uns zur Kirchenbesichtigung an.Ein großer Raum ist zur Kirche gestaltet worden. Am Eingang erwartet uns Bischof Damian, ausgestattet mit der koptischen, mit Kreuzen bestickten Mönchskappe, der Kalaswa, und langen schwarzen Gewand, begrüßt jeden mit Handschlag und gewinnendem Lächeln.

Bei Wolfgang Boochs habe ich gelesen: „ Bischof Damian, 1955 in Kairo geboren, kam als Mediziner 1981 nach Deutschland, war 1988 bis 1991 Oberarzt in der Radiologie, ließ sich im November 1992 zum Mönch weihen, erhielt 1993 die Priesterweihe, arbeitet in der Jugendarbeit der koptischen Kirche in Deutschland, ist seit 1995 als Generalbischof in Deutschland eingesetzt.“

Wir nehmen vor der Bilderwand des Gottesdienstraumes auf Stühlen Platz, müssen nicht stehen, wie es in den orthodoxen Kirchen eigentlich üblich ist.

Erst einmal wird gesungen. „Großer Gott wir loben dich“ diesen Choral aus unserem Gesangbuch mag Bischof Damian am liebsten. Die erste Strophe bekommen wir auswendig hin, dabei bleibt es auch.

Er singt uns auch zusammen mit einem jungen Mann ein koptisches Lied vor. Orgeln spielen in orthodoxen Kirchen keine Rolle, dafür aber Triangel und kleine Becken, die den Rhythmus halten.

Ich merke, wie stolz er auf das Alter der koptischen Kirche ist, die der Evangelist Markus missioniert habe, und wie stolz auch auf seine Abkunft von den alten Ägyptern (Kopten), den Urchristen, Nachfahren der Pharaonen. „Wir sind keine Araber, obwohl wir arabisch sprechen“.

Und er hebt die Rolle der Klöster hervor. Das Mönchstum ist in Ägypten erfunden worden, dem Einsiedler Antonius folgen viele Männern und Frauen in die Wüste. Es muss sehr bunt ausgesehen haben, denn Pachomius stellte feste Regeln auf und gründete die ersten Klöster. Seine Regeln sind in Italien von Benedikt von Nursia übernommen worden.

Währenddessen beobachte ich Gunter, der sich hinter dem Vorhang am Altartisch zu schaffen macht und dann wird schon der Vorhang der Pforte zum Altarraum beiseite geschoben. Zwei Kerzen leuchten auf dem Altar.

Bischof Damian bleibt jedoch vor der Pforte stehen, betritt den Altarraum nicht, weil er wohl seine Schuhe anbehalten will. Er würde jetzt aber gern mit uns beten. Fragt uns, ob wir Weihrauch vertragen, wartet keine Antwort ab und lässt sich von Gunter ein Weihrauchgefäß reichen. Der Weihrauch wird mit einer Altarkerze angezündet, und dann schwingt er das Fässchen so kräftig hin und her, dass dicke Schwaden den Raum füllen. Ein langes Bittgebet hält Bischof Damian in deutscher Sprache, aber in koptischer Intonation.

Mir fällt ein, dass laut Gunter nur einmal täglich Gottesdienst in der Hauptkirche gehalten werden dürfe, Mindestdauer zwei Stunden.

Über diesem Raum befindet sich im nächsten Stockwerk eine Kapelle für zusätzliche gottesdienstliche Handlungen.

Wir genießen die warme Atmosphäre im Kloster, nicht nur die der Kopten sondern auch die der Räume. Nirgendwo entdecke ich Heizkörper und werde aufgeklärt: der Denkmalsschutz verbietet moderne Heizkörper. Da die dicken Wände mit Lehm verputzt sind, hat man einfach die Rohre in den Putz gelegt, eine effektive Lösung. Ich entdecke passend dazu ein Fresko von Arbeitern, die Lehmziegel formen.

Wir versammeln uns im Hof des Klosters, eine unebene mit Gras bedeckte Fläche. Sie soll geglättet werden, um auch diesen Raum für Veranstaltungen zu nutzen.

Mit herzlichen Segenswünschen werden wir verabschiedet in der Hoffnung, dass zwischen Baunatal und dem Kloster der ökumenische und freundschaftliche Kontakt weiter besteht.

Martin Braner