Sturm hielt Pilger nicht auf

HNA vom 13.11.2015

Sturmwind, Regen, Gewitter, Sonne… Da hilft auch keine Wetter-App, der Pilger muss hindurch und sich mit den Elementen auseinandersetzen. In diesem Jahr prägte vor allem ein heftiger Sturmwind in den Pyrenäen die Erinnerungen der 22 Wanderer auf dem Jakobsweg.

Auf ihrer siebten Etappe ist die Pilgergruppe der Gemeinde Baunatal mittlerweile auf dem berühmtesten Abschnitt, dem spanischen „Camino Frances“ angekommen, der im französischen St. Jean Pied de Port beginnt und ca. 800 Kilometer durch Spanien bis nach Santiago de Compostela führt. Besonders anspruchsvoll und auch besonders eindrücklich, weil voller Möglichkeiten für grandiose Ausblicke, ist hierbei die Tagesetappe über die Pyrenäen.

Die Pilger starteten mit viel Glück in diesen Tag, denn die Wolken und der Nebel, die am Vortag noch die Aussicht verhindert hatten, waren am Morgen der Überquerung weg. Der Tag war von allen Mitgliedern der Gruppe mit Spannung erwartet worden: Manche  freuten sich auf die besondere körperliche Herausforderung, während andere gerade den anstrengenden Aufstieg (von 200 m auf mehr als 1400 m) fürchteten. Die besondere Vegetation oder die Aussicht darauf, vielleicht einen der seltenen Geier, die nur in dieser Berglandschaft vorkommen, beobachten zu können, trieb andere voran.

Die wahre Herausforderung des Tages wurde allerdings von niemandem vorhergesehen. Sie bestand in dem starken Wind (Windstärke 10), der der Gruppe entgegen blies und der jeden einzelnen dazu zwang, noch mehr als in den Tagen zuvor auf die Schritte zu achten. Das Laub lag auf manchen Wegabschnitten kniehoch und weckte in vielen Kindheitsgefühle. Trotz der erheblich erhöhten Anstrengung  wurde der Sturmwind von den meisten Pilgern als Bereicherung empfunden, wie sich am Ende des Tages herausstellte.

Neben der Wanderung und den Impulsen zu biblischen Geschichten gehört eine abendliche Feedbackrunde genauso wie eine Morgenrunde und einem festlichen Gottesdienst mit der Feier des Abendmahls zum festen Tagesplan der Pilger. Doch dieser Plan musste entsprechend den wechselnden Gegebenheiten angepasst werden. So verändern sich mit dem Übertreten der spanischen Grenze zum Beispiel die Herbergen für Pilger, die dort in der Regel etwas einfacher sind und häufig aus großen Schlafsälen bestehen. Auch sind die Kirchen am Wegesrand in der Regel verschlossen. Hier brauchte es immer wieder Menschen, die sie eigens für uns öffneten. Und diese Menschen fanden sich: Gott sei Dank!

Die elementaren Erfahrungen finden ihre Fortsetzung im Miteinander: Das Aufeinandertreffen verschiedenster Menschen, die jeden Tag viel Zeit miteinander verbringen und auch abends auf engem Raum miteinander auskommen müssen, fordert die Toleranz eines jeden. Dieser Gedanke fand sich auch im Abschlussgottesdienst wieder: Jeder, so sehr er sich auch vom anderen unterscheidet, ist doch ein wichtiger Teil eines größeren Ganzen. Der Reichtum liegt in der Vielfalt.