Lohn für ehrenamtliches Engagement

blick in die kirche 4_2015

Lohn für ehrenamtliches Engagement -
Zum Dank ging es 25 Meter abwärts

Ihr Schrei hallt über die Dächer von Baunatals Rudolf-Diesel-Straße: Grafikerin Jutta Blåfield seilt sich vom 25 Meter hohen Kirchturm ab. Hörbar ist es eine Mutprobe für sie. Und Honorar für getane Arbeit zugleich: In den vergangenen Monaten hatte sie den ersten Gemeindebrief der Kirchengemeinde Baunatal-Mitte gestaltet. Mit ihr genießen gut 20 weitere Männer und Frauen den Nervenkitzel. Auch sie haben eine besondere „Geschäftsbeziehung“ zur Kirchengemeinde.

Angefangen hat alles im November auf dem „5. Kasseler Marktplatz – Gute Geschäfte“. Dort handelten Unternehmen und gemeinnützige Organisationen, darunter die Baunataler Kirchengemeinde, Vereinbarungen über gegenseitiges ehrenamtliches Engagement aus. „Wir fanden die Idee, dass sich Firmen und Gemeinnützige auf Augenhöhe treffen, interessant“, berichtet Jutta Schulz, Freiwilligenkoordinatorin der Gemeinde.

Als sie die Vorbereitung zum Marktplatz, organisiert vom Freiwilligen-Zentrum Kassel, durchlief, wurde klar: „Wir mussten uns genau überlegen, was wir brauchen und was wir anbieten können.“ Für drei Projekte suchte sie Unterstützung: Gemeindebrief, Poster an der Kirchenaußenwand und Redner für ihre Reihe „Gast auf der Kanzel“. Als Gegenleistung standen die Abseil-Aktion, Begleitung beim Pilgern und ein Erste-Hilfe-Kurs zur Auswahl. Der Erfolg der Gemeinde war so groß, dass sie schließlich mit zwölf statt mit drei Vereinbarungen vom Handelsparkett ging.

„Für uns war der Marktplatz ein guter Anstoß. Wir gehen jetzt mit weniger Scheu auf Unternehmen und mögliche Unterstützer zu“, sagt Pfarrer Günter Törner. Die zweite Ausgabe des Gemeindebriefes hat er durch Anzeigen finanziell schon gesichert.

Anneke Gittermann, Leiterin der Fachstelle Engagementförderung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, schaut der Abseil-Aktion begeistert zu.

„Was hier rüberkommt, ist kein verstaubtes Image von Kirche. Im Gegenteil: Kirche ist cool“, sagt sie. In einem Pilotprojekt der Fachstelle waren Pfarrer und Freiwilligenkoordinatoren geschult worden, wie sie ehrenamtliches Engagement fördern können.

„Man bekommt immer etwas zurück, wenn man sich auf dem Marktplatz engagiert“, sagt Boris Boxan, Inhaber der Kasseler Druckerei Boxan. Nachdem sich sogar seine Mutter vom Kirchturm abgeseilt hat, ist das auch für ihn und einige seiner Mitarbeiter Ehrensache – als Honorar für den Druck des Gemeindebriefes. Ähnlich beschwingt gleiten Mitglieder des Vereins „Respekt“ abwärts. Trainerin Evelyn Dymarkowski hatte ein Antimobbingtrainig für Konfirmanden ausgehandelt.

Zurück auf Baunataler Boden ist Grafikerin Blåfield erleichtert. Sie hat ihrer Höhenangst getrotzt. Bürgerschaftliches Engagement? Sie sucht schon die nächste Herausforderung!

Irene Graefe