VATERUNSER 8 Kuben

8 Kuben 
Diese Installation ist sicher das aufwendigste Produkt, das von vier Konfirmanden gestaltet wurde. Matthias, Dimitri, Daniel und Nils haben mit Unterstützung des Studenten Niels Hertel acht aufwendige Kuben gestaltet, die hier an den acht Laternen am Marktplatz installiert sind. Die Gruppe hat sich nicht einem einzelnen Satz gewidmet, sondern sich das komplette Vaterunser-Gebet vorgenommen und sehr eigenständige Interpretationen und Bezüge hergestellt und gestaltet. Ein Gebet wird normalerweise gesprochen, die Sprache, das Sprechen steht im Mittelpunkt. In allen Sprachen wird dieses gleiche Gebet der Christen gebetet. Um diese universelle Bedeu-tung hervorzuheben, wurde hier gerade ohne Sprache gearbeitet. Denn die Zeichen und Sym-bole, die die Jugendlichen gefunden und erfunden haben, können überall verstanden werden, in die je eigene Sprache übersetzt werden. Darin liegt der besondere Zugang bei diesem Kunstwerk. Im Zentrum steht zunächst das Licht, das Licht, das zugleich eine Metapher für Gott und Jesus Christus ist, an dem wir uns im Vaterunser richten. Darum die Verbindung zu den Straßenlaternen, die in der Nacht den Weg und den Platz erleuchten. Acht rechteckige Kästen sind mit schwarzer Folie beklebt. Die schwarzen Flächen werden durchbrochen von teilweise merkwürdigen Zeichen. Die künstlerische Darstellung wählt Zeichen und Symbole, die uns im Wortsinn zu denken geben – sich also einer schnellen Deutung und Zuschreibung entziehen. Aber wir kennen ähnliche Zeichen aus unserer Alltagswelt, jene verkleinerten stilisierten Darstellungen, die uns einen Weg weisen, oder zeigen, durch welche Tür wir gehen müssen, um an das gewünschte Ziel zu kommen. Diese Zeichen nennt man auch PIKTOGRAMME. Das Besondere ist, dass es eine Vorder- und Rückseite gibt, dieses Gegenüber ist der Schlüs-sel zum Verstehen. Kommt man aus der einen Richtung, begegnen nacheinander acht Pikto-gramme, die für all das stehen, was Gott für uns tut. In entgegen gesetzter Richtung finden sich acht Motive, die dafür stehen, was wir Menschen für ihn tun, tun können. Sie finden also insgesamt 16 Zeichen, die sie entziffern können. Drei Beispiele möchte ich ihnen vorstellen:

1. Hier sind zunächst merkwürdige Zeichen. Es sind die hebräischen Buchstaben für JAHWE, den Gott der Juden. Und darunter ist ein Schild mit einem durchgestrichenen Mund. Nein, küssen verboten ist nicht gemeint: Es meint: wir heiligen Deinen Namen – ohne ihn auszusprechen, so wie es das alte Testament verlangt. „Wir heiligen deinen Namen“. Das ist, was wir tun. Umgekehrt ist die Weltkugel zu sehen, die von einer Hand gehalten wird. Ja, unsere Welt wird von einer unsichtbaren Hand, der Hand Gottes, gehalten.

2. Beim zweiten Kubus ist eine Wolke zu sehen, die in einen Pfeil übergeht. Na kommen sie selbst drauf? Hier geht es um „Dein Reich komme“ – das ist die Zusage die uns Gott durch seinen Sohn Jesus in diesem Gebet gibt. Es wird ein anderes Reich geben. Vom Himmel direkt zu uns Menschen. Und umgekehrt versuchen wir Menschen, den Frieden zu suchen, den Frieden zu ges-talten. Die Taube als Symbol für den Frieden kennt inzwischen jeder.

3. An Gott ist der Wunsch gerichtet, dass er uns von dem Bösen erlösen möge, dafür ste-hen einmal der sintflutartige Regen, der Leben unmöglich machen kann und das bren-nenden Feuer der Hölle, das unsere Seelen zerstört. Von der anderen Seite her ist eine Art Auge zu sehen, in das ein Kleeblatt hineinge-stellt ist. Das Kleeblatt als Symbol für das Gute, das Auge steht für das Sehen des an-deren. Wenn wir also vom Bösen erlöst sind, dann können wir in jedem Anderen das Gute sehen. Und nun gehen Sie am besten selbst auf Entdeckungsreise, die Jugendlichen werden ihnen helfen, wenn Sie selbst nicht weiterkommen.

Bei allen Arbeiten ist deutlich, dass mit Unterstützung der Kunststudentinnen Impulse und Anstrengungsbereitschaft freigesetzt wurden – dass wir staunen und bewundern können. Vielleicht findet dieses Projekt noch viele Nachahmer. Ihr seid echte Künstler, und dazu beglückwünsche ich euch!!!

 

„G e b e n u n d N e h m e n“

von Niels Hertel

Acht leuchtende Kuben installiert an Straßenlaternen in der Einkaufspassage
Kassel, den 25.04.2006 

Konfirmanden-Kunstprojekt „Vater unser“ in Baunatal Gethsemanekirche 
Baunatal - Kunsthochschule Kassel 
Pfarrer Günter Törner 
Prof. Norbert Radermacher 
Heike Kalusok 
Bernhard Balkenhol 
Stephanie Jünemann 
Projektgruppe Niels Hertel 
Konfirmanden: Matthias, Dimitri, Daniel und Nils

Die Theorie
Die Gruppe hat sich mit dem kompletten „Vater unser“ auseinandergesetzt. Aus der Theoriephase des Projektes entwickelten sich zwei hervorstechende Angelpunkte, die sich deutlich in der Umsetzung, den „Lampen“, niederschlagen. Es ist zum einen das Licht als eine beliebte Metapher für den heiligen Vater. Da das gesamte Projekt schon im Vorfeld auf das Baunataler Zentrum als Ausstellungsort aus-gelegt war, orientierte sich die Gruppe schnell an künstlichen Lichtquellen, die auch bei Nacht ein wenig Helligkeit auf die Erde werfen, den Straßenlaternen; denn der heilige Vater ist ja bekanntlich am Tage und auch nachts bei uns. Der andere Schwerpunkt richtete sich auf die Sprache, denn das „Vater unser“ wird überall auf der Welt und in allen Sprachen, auf die Selbe Art und Weise gebetet. Auch die Kunst spricht Sprachen und in diesem Konfirmandenprojekt ging es in erster Linie darum, das bekannte Gebet „Vater unser“ durch eine künstlerische Auseinandersetzung in ein neues Licht zu rücken, oder es, mit anderen Mitteln als den gewohnten, aus anderen Perspektiven zu betrachten. Durch die Fragestellung „Gibt es eine Sprache, die Jeder spricht?“ kam die Gruppe schnell auf die Idee, dass man nach dem Vorbild der einfachen, minimalistischen Darstellungen auf Straßenschildern vorgehen könnte, um die einzelnen Sätze des „Vater unser“ auf eine, für Jeden verständliche, Weise übersetzen zu können. Nicht jede der entstandenen Darstellungen ist dem Anspruch eines „Pik-togrammes“ gerecht geworden, aber jede der sechzehn bildnerischen Übersetzungen ist gewisserma-ßen in der Art eines „Piktogrammes“, klar und einfach umgesetzt worden.

Die Praxis
Ich habe die Arbeit vorläufig mit „Geben und Nehmen“ betitelt, da sich genau das in der Umsetzung widerspiegelt. Es gibt acht kubenförmige Lampen, die mit je zwei Motiven/Piktogrammen versehen sind und so installiert werden, dass ein Betrachter, der aus der einen Richtung kommt zunächst nur die Motive sieht, die zu ihm gerichtet sind; dreht er sich während des Vorbeilaufens um, hat er die Mög-lichkeit auch die anderen Motive zu sehen. Das heißt es gibt so gesehen zwei Richtungen, von denen aus man je acht Piktogramme sehen kann. Auch diesen Aspekt hat die Gruppe sinngemäß genutzt und ist damit dem vorläufigen Titel gerecht geworden. Das „Vater unser“ besteht aus verschiedenen Bitten, die wir Menschen an ihn, den Vater, richten, der uns das Leben bereits gegeben hat und von dem wir uns weitere „Gaben“ wünschen. Aber was ist mit einer Gegenleistungen? Nun, es ist wahrlich nicht viel, was von uns Menschen an ihn, den Vater im Himmel, zurückgeht; es ist sogar so wenig, dass die Gruppe das „Vater unser“ selbstständig ergänzen musste um so etwas wie eine Waage herzustellen. Folgendermaßen hat sich das auf die Installation in der Baunataler Einkaufspassage ausgewirkt. Ein Betrachter der aus der einen Richtung an dem Werk vorbeigeht, sieht zunächst acht Piktogramme, die für all das stehen, was der heilige Vater für uns tut; also was er gibt und wir nehmen. Ein Passant, der aus der anderen Richtung vorbeiläuft sieht acht Motive, die dafür stehen, was wir Menschen für ihn tun; was wir geben.

Folgende Sätze sind in der Arbeit zu wiederzufinden:

RECHTS - U N S E R:

LINKS - V A T E R:

Du bist der Schöpfer von Allem // Wir heiligen Deinen Namen

Dein Reich komme // Wir suchen Frieden

Dein Wille geschehe // Wir üben Verzicht für andere

Wie im Himmel // so auch unter uns

Du gibst uns unser tägliches Brot // Wir teilen untereinander

Du vergibst uns unsere Schuld // Wir vergeben unseren Schuldigern

Du führst uns nicht in Versuchung // Wir wollen Niemanden ausnutzen

Du erlöst uns von dem Bösen // Wir wollen in Anderen das Gute sehen