Durch seine Sprachstörung war es anfangs schwierig, ihn zu verstehen, was ihn teils unwillig machte und sichtlich ärgerte. Inzwischen haben wir uns aneinander gewöhnt, die Verständigung klappt so gut, dass wir uns über den Fernsehfilm, der am vorangegangenen Samstag gezeigt wurde – er sieht mit Vorliebe Krimis – unterhalten können. Aber nicht nur das Fernsehprogramm ist Gegenstand der Unterhaltung, sondern mittlerweile auch Persönliches. An diesen Beispielen mag man das zwischen dem Betreuten und den Mitarbeitern des Gemeindekreises gewachsene Vertrauen erkennen.

Zu den treuesten Gottesdienstbesuchern gehört u.a. eine junge Frau, die begeisterte Malerin ist und im vergangenen Jahr einen Preis erhalten hat, der ihr in Berlin übergeben wurde, was sie natürlich besonders stolz machte und sie begeistert darüber berichten ließ.  

Nahezu regelmäßig geht ein Herr mit uns, der ein bewundernswertes Gedächtnis besitzt –   die Fähigkeit, ihm einmalig genannte Daten zu behalten und jederzeit abzurufen. Gleiches gilt für Kalendertage, denen er beinahe auf Anhieb den jeweiligen Wochentag zuzuordnen vermag.

Diese Begabungen zu erkennen, macht  mitunter sprachlos und manchmal etwas neidisch. Sie zeigen uns ganz deutlich, wie wertvoll und liebenswert diese Menschen sind und wie wichtig es ist, uns für sie einzusetzen. Die Akzeptanz, die wir von ihnen erfahren, zeigt sich besonders in der herzlichen Art und Weise, auf die wir am Sonntagmorgen begrüßt werden – und zwar auch von den Nichtkirchgängern. 

Gustav Rieß